Nach der Vorfreude kommt das Hey und das Die Sind Ja Gar Nicht Mehr Wie Vor 16 Jahren. Braid mit "No Coast", ihrem ersten Album seit einer Ewigkeit.

Herrschaften des Emo. Fotoquelle: Facebook
Braid. Eine wegweisende Emo-Band. Ursprünglich gegründet im Jahre 1993, dann bis 1999 aktiv, und immer wieder durch Line-Up-Veränderungen am wackeln. Als sie 2004 für eine kleine Tour wieder auf der Bildfläche erscheinen, kennen viele von uns die Band nur von Erzählungen her. Da ist vieles durch eine logische Zeitrechnung erklärt. Ich war 1993 sechs Jahre jung. Ich hätte ein ziemlich cooler Erstklässler sein müssen um damals die Entstehung von Braid live zu erleben. Lag doch neben dem Alter auch der Atlantische Ozean dazwischen.

In Illinois war die Band ein heißer Favorit der damaligen lokalen Emo-Punk-Szene. Ihre ersten aufgenommenen Songs und Sammlungen klangen ungestüm, jung und unbekümmert. Bis Ende der Neunziger erst einmal schicht im Schacht war. Wieder einige Jahre nach der kurzen 2004er-Tour-Reunion, im Jahre 2011 nämlich, brachten Braid in ihrer aktuellen Besetzung [Damon Atkinson (Drums), Todd Bell (Bass), Chris Broach (Vocals/Gitarre), Bob Nanna (Vocals/Gitarre)] eine neue EP raus. "Closer To Closed" war dann eine vier Titel starke EP, die objektiv gesehen, tolle Musik zu bieten hatte. Den Fans passte das aber überhaupt nicht. Es war so ziemlich gar nichts mehr übrig gewesen, von frühen "Frame And Canvas"-Zeiten, anno 1998.

Ähnlich waren die Reaktionen auf die Vorabveröffentlichung von "Bang" dem Opener ihres brandneuen 2014er Albums "No Coast". Zwar hörten alt eingessene Emo-Fans, dass da diese gewisse Kante wieder mehr an das Ur-Braid erinnerte... doch, oh Wunder, gleich wie anno dazu mal klang auch das nicht. Trotzdem brandete Vorfreude auf ein neues Album in voller Länge auf. Ich persönlich konnte nicht aufhören "Bang" in Endlosschleife zu hören. Mir hatte zuvor schon "Closer To Closed" gefallen. Doch mit "No Coast" schien da wieder eine Band zurück zu kommen, die ich aus frühen Emo-Zeiten hatte schätzen gelernt.

Ich war 2004 das erste mal über die Band gestolpert. Muss irgend ein Pure-Volume-News-Feed gewesen sein. Daraufhin hatte ich die Alben und frühen Werke nachgeholt, und klar die Qualität der Band erkannt, allerdings war die Produktion qualitativ nicht annähernd auf einem heute genüsslichen Niveau. Wenn Live-Videos bei YouTube klarer klingen als die CDs, dann läuft was falsch. Ähnlich wie bei den supergeilen frühen At The Drive-In Platten.

Nun können wir diesen Sommer die brandneue Platte "No Coast" von Braid in den Händen halten. Sie geht mit "Bang" los. Einem Song, den ich einfach liebe. Es klingt alles wunderbar gut produziert. Ich kann durchaus frühe Fans verstehen, denn so wunderbar ungestüm ist die Band nicht mehr. Aber die Herrschaften sind jetzt auch im Schnitt doppelt so alt wie zur Bandgründung. Und neben der nachdenklichen Gemütlichkeit, die "No Coast" versprüht, sind da alle Zutaten des Pop-Punkigen Neunziger-Jahre-Emos vorzufinden. So bereichern Braid mit ihrem neuen Album vor allem die aktuelle Musiklandschaft. Die Vergangenheit zurückholen kann wirklich niemand. Aber darauf anspielen und daraus wachsen, das können Braid. Der Beweis heißt "No Coast".



Braid - "No Coast"
VÖ: 11.07.2014
via: Topshelf Records / Soulfood

Mehr: Das komplette Album jetzt hier anhören.

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